Kakteensammlung Reinhart Schade

Was von BBE zu halten ist

Was von BBE zu halten ist

BBE ist das Akronym von Baldrianblüten-Extrakt. In Obstplantagen wird BBE schon lange erfolgreich als Frostschutzmittel auf Blüten gespritzt. Die biologische Landwirtschaft verwendet BBE gern als Kompostbeigabe. Und in einem im Jahre 2004 in der KuaS erschienener Artikel schrieb M. Kießling, dass es jemandem aufgefallen sei, dass verschiedene Gemüsearten, die mit BBE bespritzt wurden, in kürzester Zeit anfingen zu blühen. Daraus hatte ein Bekannter von M. Kießling den Schluss gezogen, dass das Mittel auch bei Sukkulenten blühfördernd wirken müsste und zwar in homöopatischer Dosis (max. 50 Tropfen auf 10 Liter Gießwasser). In der Folge setzte in den Nullerjahren ein euphorisch wirkender Nachfrageboom ein.

Ich hatte damals schon 30jährige Kulturerfahrung mit Sukkulenten und besonders bei Kakteen ein reichliches Blühen beobachtet. Nur fotografiert hatte ich das viele Jahre nicht, weil hinter den vielen Blüten der Habitus nicht zu erkennen ist und daher solche Bilder zu wenig aussagen. Zur Dokumentation des Blütenreichtums taugen aber solche Bilder allemal (s. Ordner "Reich blühende Kakteen ohne BBE" in dieser Homepage). Es wurde auch gemunkelt, dass Kakteen früher als normal blühen würden, wenn man sie mit BBE gießt. Mit den Bildern blühender Minikakteen kann ich aber beweisen, dass das nicht stimmt (s. Ordner "Kleine blühende Kakteen ohne BBE"). In beiden Ordnern sind insgesamt 142 Bilder zu sehen (Stand Januar 2017).

Wer kann nach Betrachtung dieser Bilder noch der Meinung sein, dass man BBE als Blühhilfe braucht?

Ausschlaggebend für das Blühen ist einzig und allein, dass man die Pflanzen richtig kultiviert, ihnen also Bedingungen bietet, die sie zum Blühen benötigen. Weitgehend optimale Kultur-Bedingungen haben Sukkulenten natürlich im Gewächshaus. Anfänger - meist Fensterbrett-Pfleger - sind da sehr im Nachteil. Sie müssen sich mit ungenügenden Bedingungen abfinden. Hierzu zählt oft das Fehlen einer kalten Überwinterungs-Möglichkeit. Oder Lichtmangel im Sommer, d. h. Kultur hinter Isolierglasscheiben und/oder in ungünstiger Himmelsrichtung. Gerade diese Kakteenfreunde meinen, mit BBE könnten sie ungünstige Kulturbedingungen kompensieren, oder wird es ihnen so eingeredet?

Aber auch manche "alten Hasen" kaufen BBE. Fragt man sie nach dem Warum, antworten einige "zum Ausprobieren" und andere "sicherheitshalber, es schadet ja nicht". Es gibt auch Kakteenfreunde, die behaupten: "Seit ich BBE anwende, haben meine Kakteen mehr geblüht als vorher". Das ist aber nur eine selbstbestätigte Erwartung und ist keine objektive Wahrnehmung. Denn der Beweis fehlt. Bezeichnend ist, dass sich niemand traut, sich öffentlich zu äußern, dass er BBE nicht braucht. Ich bin offenbar der Einzige.

Einen BBE-Wirksamkeitstest an Kakteen kann man m. E. nur unter großem Aufwand durchführen, wenn das Ergebnis zweifelsfrei und nicht anfechtbar sein soll. Die Gründe sind:

  • Man braucht für zwei Gruppen (1. Gruppe BBE-behandelte Pflanzen, 2. Gruppe unbehandelte Pflanzen) viele vegetativ vermehrte Exemplare mit gleicher Größe bzw. gleichem Alter. Generativ vermehrte, artreine Geschwisterpflanzen oder gar Hybriden-Aussaaten sind für solch eine Studie nicht geeignet. Wenig geeignet für den Vergleich der beiden Gruppen sind auch ältere Kakteen, die stets stark blühen, wie z. B. Rebutia heliosa (Es macht keinen Sinn, hunderte Blüten in beiden Gruppen abzuzählen, um dann einen Unterschied von z. B. 1% festzustellen) Dagegen sind blühfaule oder von Haus aus wenig blühende Pflanzen die bessere Wahl. Ferner muss sichergestellt werden, dass alle Pflanzen völlig gesund sind.
  • Außerdem müssen möglichst viele Gattungen und Arten in die Untersuchung einbezogen werden. Der Platzbedarf ist daher enorm.
  • Beide Gruppen müssen unter exakt gleichen Bedingungen (Licht, Temperatur, Luftfeuchte, Wasser, Dünger, Substrat usw.) kultiviert werden.

Eine andere Möglichkeit wäre, einen Wirksamkeitstest mit einem Placebo durchzuführen, so wie Mediziner das mit manchen Medikamenten tun. Aber das würde wohl daran scheitern, dass man keine Placebo-Flüssigkeit herstellen kann, die so aussieht, schmeckt und riecht wie Baldrianblüten-Extrakt.

In Deutschland wird BBE meines Wissens nur von drei Kakteengärtnern angeboten (Stand Januar 2017). Wenn man sie fragen würde, warum sie dieses Mittel verkaufen, antworten sie als gute Geschäftsleute sicher: "... weil es meine Kunden verlangen". Kann man das Geschäftsleuten verdenken? Übrigens, Baldrianblüten-Extrakt wird auch unter http://www.spirituelles-gaertnern.ch/?page_id=130 empfohlen. Käuflich erwerben kann man dort aber nur trinkbare Essenzen aus Heilsteinen, Edelsteinen und Kristallen, "deren Schwingungen in Wasser abgespeichert wurden", was auf die jeweilige Person abgestimmt wird ...