Kakteensammlung Reinhart Schade

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Publiziert in: Kakteen und andere Sukkulenten
60:(4):94-97, 2009

Sukkulenten mögen Musik!

Abb. 1: Direkt an der Musikquelle: ein alljährlich reich blühendes Sedum morganianum

Als sich meine Tochter vor drei Jahren eine Stereoanlage zulegte, wollte sie ihr altes Kofferradio verschrotten. Diese Jugend! Weil ich nun mal ein Gegner der heutigen Wegwerfmentalität bin und das Gerät noch völlig intakt war, habe ich es gerettet und gleich ins Gewächshaus gehängt. Und das war wohl eine der besten Ideen meines Lebens, denn seitdem habe ich extrem viele Blüten an meinen Pflanzen beobachtet!

Mein ungläubiges Staunen fing an, als das noch junge Sedum morganianum schon zwei Jahre nacheinander viele Blüten hervorbrachte (Abb. 1). Bei Kakteenfreunden sehe ich doch immer wieder diese Pflanze, die trotz zig Zentimeter langer Triebe dort nie geblüht hat. Sollte etwa das Radio ... ? Ach was, dieser Gedanke war zu abwegig! Aber dann fielen mir die Landwirte ein, die ihre Kuhställe mit Musik beschallen, damit die Kühe mehr Milch geben. Regt vielleicht Musik auch Sukkulenten zu außergewöhnlichen Aktivitäten an?

Abb. 2: Notocactus uebelmannianus mit vielen Knospen und Blütenresten vom Vorjahr

Anfangs war ich erst einmal ratlos. Bin ich doch ein rational denkender, gelernter Ingenieur, alles andere als ein Esoteriker oder so was. Zum Beispiel pflege ich mit meinen Pflanzen kein Wort zu sprechen (man bekommt ja sowieso keine Antwort). Kann es denn sein, dass Musik die Ursache oder der Auslöser für die Blühfreudigkeit des Notocactus uebelmannianus (Abb. 2) war? Wenn ja, dann muss Musik hoch wirksam sein, denn das Radio hatte ich - sparsam wie ich bin - nur eingeschaltet, wenn ich mich im Gewächshaus aufhielt. Protokoll habe ich über die möglichen Einflussgrößen nicht geführt. Zum Beispiel wäre sehr wichtig gewesen, wie laut das Radio immer eingestellt war. Nach Meinung meiner lieben Ehefrau zu laut (gefühlte 80 dB (A)), was wohl an meiner beginnenden Schwerhörigkeit liegen mag. Auch die Art der eingestellten Musik ist sicher eine entscheidende Einflussgröße.

Trotz meines hohen Alters (z. Zt. 71) hatte ich immer einen bekannten bayerischen Privatsender eingeschaltet, der viel Popmusik bringt. (Daraus kann man vielleicht schließen, dass ich im Grunde genommen noch blutjung geblieben bin)

Abb. 3: Vor lauter Blüten ist der Pflanzenkörper dieser Chamaecereus-Hybride kaum zu sehen

Im Laufe des Jahres stellten sich immer überreich blühende Kakteen ein. Das konnte kein Zufall sein! Es würde den Rahmen sprengen, wenn ich hier alle beschallten Kakteen vom vergangenen Jahr zeigen würde, daher nur die Abb. 3 bis 6. Ich stellte die Pflanzen einfach in den Steingarten und drückte bei Sonne auf den Auslöser. Ansich fotografiere ich ja nur, wenn man mehr vom Habitus erkennt, aber die Bilder dienen ja nur zur Dokumentation des Blütenreichtums. Die beschallte Rebutia heliosa muss ich unbedingt zeigen, weil ich besonders bei ihr immer Angst habe, dass sie sich beim Blühen übernimmt.

Abb. 4: Ein dickes Büschel von Blüten: Rebutia heliosa ist darin nicht mehr zu erkennen

Leider kann ich auch nicht wissenschaftlich nachweisen, dass meine Blüten-fördernde Methode wirkt. Bedenken Sie, liebe Kakteenfreunde, es gilt in einer entsprechenden Studie sehr viele Einflussgrößen zu variieren und mit einer Kontrollgruppe zu vergleichen. Ein irrer Aufwand! Deshalb bin ich auf die geniale Idee gekommen - wie es die Software-Unternehmen mit ihren Produkte machen - die Beschallungs-Methode am Markt zu testen. Ich werde am besten auf meiner Website ein Forum einrichten, in dem sich Begeisterte - es werden viele sein - austauschen können. Da kann diskutiert werden über Mono- oder Stereoton, Lautstärken, Beschallungsdauer, optimale Entfernungen von der Schallquelle und Radioherstellern (Schleichwerbung werde ich verbieten müssen). Die Anzahl der Blüten wird akribisch abgezählt und ihre Durchmesser auf einen halben Millimeter genau ausgemessen. Ich werde Wettbewerbe um die beste Musikstücke ausschreiben. Vielleicht stellt dann jemand fest, dass er die größten Erfolge mit dem Triumphmarsch aus "Aida" hat und ein anderer mit Händels "Halleluja". Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt! Wie schön ist doch Hobby! Ich bin auch sicher, dass sich bald ein Beschallungs-Fanclub mit lauter Blütenhervorlock-Spezialisten bilden wird! Mich wird man bestimmt zum Beschallungsmeister wählen!

Nächstes Jahr zur gleichen Zeit werde ich von den sensationellen Ergebnissen meiner Pfropfversuche berichten. Anstatt das Pfropfmesser mit Alkohol zu sterilisieren, verwende ich den Saft von Gemüsezwiebeln (da weint man nicht so). Es ist ja schon lange bekannt, dass die Zwiebel bei Mensch und Tier eine antibiotische, also eine Bakterien und Pilze abtötende Wirkung hat. Sie werden lachen, das funktioniert auch bei Sukkulenten!

Abb. 5: Zarte lachsfarbene Blüten: Auch diese Pflanze wurde beschallt

Abb. 6: Mit Musik geht alles besser - auch die Blütenentwicklung bei dieser Lobivia jajoiana var. paucicostata

Ein Aprilscherz. Haben Sie's gemerkt?

Reproduktion mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Kakteen-Gesellschaft e. V. und der Redaktion "Kakteen und andere Sukkulenten".