Kakteensammlung Reinhart Schade

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Publiziert in: Kakteen und andere Sukkulenten
62:(12):309-314, 2011

Simultanes Blühen bei Kakteen

Immer wieder hört und liest man Berichte, dass speziell Astrophyten einer Sammlung gleichzeitig blühen. So veröffentlichte Hook (2008) die Ergebnisse seines Versuchs im Jahre 2003, der die Blütensynchronität von vier Astrophytum-Arten zum Thema hatte. Danach ist das gleichzeitige Blühen derselben Spezies am häufigsten (19 bis 27%) und das zwischen unterschiedlichen Astrophytum-Arten wesentlich geringer (2 bis 6%). Auch Kleszewski (2010) zeigt ein Bild vieler blühender Astrophyten in seiner Sammlung. Ebenso wird gelegentlich in Foren vom Simultanblühen dieser Kakteengattung berichtet.

Auch meine kleine Astrophytum-Gruppe, bestehend aus 35 blühfähigen Exemplaren älterer Jahrgänge und 15 Jungpflanzen, blüht simultan. Abb. 1 zeigt fünf von meinen neun gleichaltrigen A. asterias und -Hybriden (vier Stück hatten unterschiedlich kleine Knospen) und ein älteres Exemplar. Alle die im Bild gezeigten Pflanzen stehen mit blühfähigen und noch nicht blühfähigen Astrophytum-Arten dicht beieinander in einer Pflanzschale von 40 x 60 cm.

Abb. 1: Simultan blühende Asrophytum asterias und A. asterias-Hybriden, die (mit Ausnahme der Pflanze oben rechts) gleichen Alters sind.

Abb. 2: Pseudolobivia-Hybriden, Blütenflor von sechs Geschwisterpflanzen.

Das Simultanblühen ist aber nicht allein auf Vertreter der Gattung Astrophytum beschränkt. Als Allessammler von Sukkulenten, war es mir möglich, dieses interessante Phänomen auch bei anderen Kakteen zu beobachten. Zum Beispiel neigen meine Pseudolobivia polyancistra-Hybriden (Abb. 2) zu einer Blütenexplosion, wenn ihre Zeit gekommen ist. Ebenso blühfreudig sind meine Echinopsis-Hybriden. Von dem in Abb. 3 gezeigte Teil einer Aussaat blühten 15 von 27 Geschwisterpflanzen in einer Pflanzschale gleichzeitig. Abb. 4 zeigt meine sieben blühfähigen Echinopsis obrepanda (syn. Pseudolobivia frankii), die gleichzeitig zum Blühen kamen. Sie sind unterschiedlich alt und stehen innerhalb eines halben Quadradmeters locker verteilt zwischen anderen Kakteen auf einem Tisch des Gewächshauses. Meine beiden einzigen, durch Sprossvermehrung genetisch gleichen Gymnocalycium bueneckeri (Abb. 5), blühten ebenfalls simultan. Sie stehen ca. 40 cm voneinander entfernt.

Abb. 3: Echinopsis-Hybriden, von 27 Stück in der Pflanzschale 40 x 60 cm blühten 15 simultan.

Abb. 4: Echinopsis obrepanda, alle sieben vorhandenen und blühfähigen Pflanzen blühten gleichzeitig.

Abb. 5: Gymnocalycium bueneckeri, beide vorhandenen Pflanzen blühten gleichzeitig.

Abb. 6: Notocactus magnificus, alle drei gleichaltrigen Pflanzen blühten am gleichen Tag.

Auch meine drei gleichaltrigen Notocactus magnificus (Abb. 6), die dicht beieinander stehen, blühten am gleichen Tag. Die vier älteren Pflanzen, die ich noch habe, stehen zwischen 2 und 2,5 m von ihnen entfernt und blühten zu anderen Zeiten. In einer Pflanzschale kultiviere ich die sechs gleichaltrigen Notocactus ottonis var. vencluianus (Abb. 7). Älltere Pflanzen in 1,5 bis 2,5 m Entfernung blühten mit diesen nicht simultan. Meine beiden Matucana madisoniorum (Abb. 8), die einzigen, die ich in der Sammlung habe, stehen dicht nebeneinander und blühten im Jahre 2011 viermal gleichzeitig, bis die vordere Pflanze eine Frucht ansetzte. Die hintere Pflanze blühte das fünfte Mal, allein. Zehn Tage später blühte die vordere Pflanze das fünfte Mal, ebenfalls allein. 2012 werde ich den Versuch wiederholen.

Abb. 7: Notocactus ottonis var. vencluianus, alle sechs gleichaltrigen Pflanzen blühten simultan.

Abb. 8: Die beiden Matucana madisoniorum blühten im Jahre 2011 vier Mal simultan, bis die vordere Pflanze eine Frucht ansetzte.

Der Grund für das Simultanblühen von Pflanzen ist sicher unstrittig: Aus evolutionärer Sicht ergibt es Sinn, wenn sie gemeinsam blühen, denn dann sind die Bestäubungschancen am größten.

Doch was der Auslöser für das gleichzeitige Blühen der Astrophyten sein könnte, gehen die Meinungen extrem auseinander. Am meisten wird der Wechsel von der Schönwetterlage zum Schlechtwetter (Bewölkung, Regen) genannt. So, als wenn sich die Pflanzen noch schnell vermehren wollten solange die Sonne scheint! Doch wenn das stimmen sollte: Haben dieses Verhalten nur unsere Kulturpflanzen in den Gewächshäusern "gelernt"? Es ist doch unvorstellbar, dass Astrophyten an den sonnenreichen Heimatstandorten nur dann blühen, wenn Bewölkung oder gar Regen zu erwarten ist! Nach Hoock (2008) blühen Astrophyten nicht vor, sondern eher nach einer Schlechtwetterperiode synchron. An lichtarmen Tagen wüchsen kleinere Knospen noch schnell heran, um sich mit den großen Knospen zusammen an einem helleren und wärmeren Tag zu öffnen. Dies konnte ich an der Pflanze mit der Doppelblüte (Abb. 1) auch beobachten.

Würde intensive Licht-/ Wärmeeinwirkung als alleiniger Auslöser für das Simultanblühen infrage kommen, dann würden die Kakteen, die bei bewölktem Himmel oder bei Nacht ihre Blüten öffnen (weil sie andere Bestäuber haben) nicht fähig sein, gleichzeitig zu blühen. Dies können sie aber und deshalb muss ein anderer Auslöser vorhanden sein. Es fällt auf, dass nahe beieinander kultivierte Kakteen derselben Art, Geschwister- und genetisch gleiche Pflanzen bis zu 100% simultan blühen können. So liegt die Vermutung nahe, dass die Pflanzen miteinander kommunizieren, sich quasi zum Blühen "verabreden". Dies ist mittels artspezifischer Duftstoffe nicht abwegig!

Paschold & al. (2006) berichteten zum Beispiel, dass von Insekten befallene Pflanzen mit einem Duftstoff benachbarte, noch nicht attackierte Artgenossen warnen könnten. Ein Indiz, dass Kakteen miteinander kommunizieren, lieferten auch die beiden Matucana madisoniorum (Abb. 8). Sie blühten im Jahre 2011 viermal simultan. Unterbrochen wurde die Serie erst, als die vordere Pflanze eine Frucht ansetzte. Sie hatte es nicht mehr nötig, zusammen mit ihrer Nachbarin zu blühen. Deren Duftstoff konnte sie ignorieren, denn der Zweck des Simultanblühens war erfüllt: die Bestäubung einer Blüte.

Wichtig ist sicher auch die geringe Luftbewegung in einem Gewächshaus ohne Ventilator, sodass die Duftstoffe nicht weggeblasen werden. (Die Belüftung meines Gewächshauses ist mit drei Seiten-, zwei Dachfenstern und einer Eingangstür, die sich alle temperaturgesteuert automatisch öffnen und schließen, dennoch ausreichend). Nur die Echinopsis-Hybriden (Abb. 3) standen windgeschützt auf dem Balkon. Die kleistogamen Fraileen blühten - wie zu erwarten war - nicht simultan. Doch wie verhalten sich selbstfertile Kakteen, wie zum Beispiel Turbinicarpus swobodae, Parodia purpureo-aurea, Matucana polzii usw.? Da steht ein Versuch meinerseits noch aus.

Natürlich sind die beobachteten Fakten nur Indizen, keine Beweise, wozu zum Beispiel die Analyse der Duftstoffe gehören würde. Doch solche Beweise kann ein Laie nicht erbringen. Aber für Biologen und Chemiker wäre das Simultanblühen der Kakteen ein interessantes Forschungsthema! Nur würden diese Versuche kaum jemand finanzieren, da das Ergebnis keinen kommerziellen Nutzen bringt.

Literatur:

Hoock, H. (2008): Astrophytum Lem. (Cactaceae) - Eigenverlag, Landshut.
Kleszewski, K.-P. (2010): Die Gattung Astrophytum - DKG, Pforzheim.
Poschold, A., Halitschke, R., Kessler, A. & Baldwin, I. T. (2006): Die Sprache der Pflanzen - www.mpg.de/414573/forschungsSchwerpunkt.

Reproduktion mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Kakteen-Gesellschaft e. V. und der Redaktion "Kakteen und andere Sukkulenten".