Aussaat von Kakteen nach einem Mondkalendar
Einleitung:
Schon lange wollte ich gern wissen, ob der Erdtrabant noch weitere Ereignisse auf unserem
Globus beeinflusst außer Ebbe und Flut. So hatte ich mir schon Literatur gesammelt und den
Zeitungsartikel von
Herrmann (2010) aufgehoben. Darin schildert er, dass sich viele
Menschen an Mondkalendern orientieren. Umfragen zufolge glauben 92 % der Deutschen, dass
der Mond Einfluss auf ihr Leben oder ihre Gesundheit ausüben würde. Sie kaufen zu erhöhten
Preisen Mond-Mineralwasser, -Käse, -Salami, -Holz (das angeblich nicht brennen soll) und so
weiter. Aus dem Bereich der Botanik fand ich in diesem Artikel leider nur zwei Hinweise: Ernten
von reifem Gemüse bei abnehmendem Mond und „pflanzen“ von Radieschen (war wohl
Aussäen von Radieschen-Samen gemeint). Im Dezember 2011 kam mir dann die Annonce von
Ewald Kleiner wie gerufen, der darin seinen Mondkalender 2012 anbot. Konnte ich jetzt doch
selber in Aussaat-Versuchen herausfinden, was an der Sache dran ist.
Anfang April 2012 machte mich ein Kakteenfreund auf den Artikel von
Stöhr (2004)
aufmerksam. Darin schreibt der Autor: „Kosmische Rhythmen sind nicht zu verwechseln mit
dem Mondkalender“, doch wenige Zeilen weiter ist widersprüchlich zu lesen, dass diese
Rhythmen „astronomische, wissenschaftlich-mathematische Berechnungen“ seien und der
Mond im Mittelpunkt stehen würde. Dann schreibt
Stöhr: „Zwei bis vier Tage ehe der Mond
komplett am Himmel sichtbar ist, sollte man das Saatgut in den Boden bringen ....“ Viel Theorie,
doch leider bringt der Autor den praktischen Nachweis einer höheren Keimrate für die
genannten Tage nicht.
Auf der Rückseite seines Mondkalenders schreibt Ewald Kleiner, dass er ihn schon seit über 40
Jahren Hobbygärtnerinnen und -gärtner zur Verfügung stellt; später auch Kakteenfreunden.
Kakteen und andere Sukkulenten seien auf Grund seiner 50jährigen Sukkulenten-
Kulturerfahrung eindeutig den Blütenpflanzen zuzuordnen, schreibt er. So sind in der Spalte
„Blütentage“ 26 günstige Aussaat-Tage für das Jahr 2012 aufgelistet; Tage, an denen der Mond
mit den Sternbildern Zwillinge, Waage und Wassermann eine günstige Konstellation bilden
würde. Tab. 1 zeigt für die Versuchsdauer von vier Monaten elf günstige Aussaat-Tage, an
denen hohe Keimraten zu erwarten sind. Übergangstage mit mittelmäßiger Keimrate, wie zum
Beispiel 24. oder 26. Mai, gäbe es nicht.
Mondkalender 2012 nach E. Kleiner (Auszug) für Aussaaten |
April |
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Mai |
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Fett gedruckte Tage = günstige Tage, Mager gedruckte Tage = ungünstige Tage |
Tab. 1: Im Folgenden werden günstige Tage „+Tage“ und ungünstige Tage „-Tage“ genannt
Aussaat-Vorbereitungen:
Das Aussaat-Substrat bestand aus 2/3 Kakteenerde der Gärtnerei Schleipfer (Korngröße 0,3 bis
1 mm) und 1/3 mineralischem Substrat (Korngröße 0,3 bis 2 mm).
Abb. 1: Abreiben des Fruchtfleisches, das an frischem Samen haftet
Das Dränage-Substrat für die
unterste Schicht im Topf bestand nur aus mineralischem Substrat (Korngröße 2 bis 5 mm).
Beide Substrate wurden in trockenem Zustand in Weckgläsern 5 Minuten in der Mikrowelle
sterilisiert. Ebenso Werkzeuge (Teelöffel und Pinzette) und eine Glasschale zum Anstauen in
kochendem Wasser. Sofern es sich um frisch geernteten Samen handelte, wurde das
Fruchtfleisch in einfachster Weise mit dem Finger auf trockenem Küchenpapier abgerieben
(Abb. 1).
Aussaat:
Die Aussaat erfolgte in fabrikfrischen, schwarzen Kunststoff-Töpfen (Größe 5 x 5 cm, 4,5 cm
hoch) mit Siebboden.
Pro Topf wurden meist 25 Korn trocken gebeizter Samen ausgebracht. Hierzu diente ein
Stereomikroskop mit einem Arbeitsabstand von 8 cm, unter dem die Samen in 5 Reihen zu je
meist 5 Stück mittels Pinzette auf das Substrat gelegt und bündig eingedrückt wurden. Mit
Quarzsand oder Ähnlichem zugedeckt wurden die Samenkörner nicht, denn Kakteen sind
Lichtkeimer. Anschließend wurde der Topf mit Samen-Namen, Stückzahl und Datum beschriftet.
Dann erfolgte das Anstauen mit abgekochtem Leitungswasser so lange, bis die Substrat-
Oberfläche vollkommen benetzt war. Schlussendlich wurden je 3 Töpfe in fabrikfrische
Gefrierbeutel gesetzt und mit einem Clip gut verschlossen. Diese Prozedur erfolgte immer
vormittags zwischen 9 und 11 Uhr.
Abb. 2: Eingebeutelte Aussaattöpfe unter einem Tisch im Gewächshaus
Aufgestellt wurden die eingebeutelten Töpfe unter einem Tisch im Gewächshaus (Abb. 2).
Sofern die Sonne schien, waren die Aussaaten nachmittags maximal 3 Stunden dem
Sonnenlicht ausgesetzt. Die Beutel wurden weit über den Versuchszeitraum hinaus
geschlossen gehalten; nur zum Fotografieren und Zählen der Sämlinge wurden die Töpfe
kurzzeitig entnommen. Das Keimen möglicher Nachzügler wurde abgewartet.
Interessant war, dass kein einziger Sämling verfault oder verpilzt war. Allerdings war das
Substrat in einigen Töpfen oberflächlich veralgt. Vermutlich wurde das Substrat in der
Mikrowellen nicht lang genug sterilisiert.
Keimbedingungen:
Ausreichend Licht, ausreichende Temperatur und viel Feuchtigkeit im Substrat sind die
wichtigsten Voraussetzungen für das Keimen. Aber auch der Temperaturunterschied zwischen
Tag und Nacht und eine hohe relative Luftfeuchte spielen eine Rolle. Letztere Bedingung kann
man gut in einem Zimmergewächshaus, in Kunststoff- oder Glasbehältern mit Deckel oder in
verschlossenen Folienbeuteln erfüllen. Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht kann
man der Aussaat bieten, indem man sie in ihren Behältern auf den Balkon oder auf die Terrasse
stellt, wenn kein Gewächshaus zur Verfügung steht. Aussaaten im Zimmer, mit oder ohne
Kunstlicht, noch dazu im Winter, bieten nach meiner Erfahrung keine optimalen
Keimvoraussetzungen. Außerdem sollten viele Samen erntefrisch ausgesät werden, und das ist
im Winter nicht gegeben.
Samen-Auswahl:
Für die Aussaat-Versuche wurden nur Samen von eigenen Kakteen verwendet. Sofern sich
herausgestellt hat, dass bei einem ungünstigen Aussaat-Tag (-Tag) eine (fast) 100%ige
Keimrate erzielt wurde, konnte auf einen Vergleich mit einem günstigen Aussaat-Tag (+Tag)
verzichtet werden. Ein Vergleich zwischen -Tagen und +Tagen erfolgte nur bei den Samen, die
eine niedrige Keimrate aufwiesen.
Ergebnisse:
Tab. 2 zeigt zwölf verschiedene Samen, die alle an ungünstigen Tagen (-Tagen) ausgesät
wurden; trotzdem war die Keimrate im Mittel fast 96%. Allen Samen war gemeinsam, dass sie
erntefrisch ausgesät wurden, und das war bei diesen Arten neben optimaler Bedingungen der
Grund für die hohe Keimrate. Als Beispiel aus dieser Gruppe zeigt Abb. 3 das Aussaat-Ergebnis
von Frailea asterioides, Frailea phaeodisca und Epithelantha micromeris. Mit diesem Ergebnis
hätten die Aussaat-Versuche eigentlich beendet werden können, denn es hat sich schon jetzt
gezeigt, dass die Mondkonstellation keinen Einfluss auf die Keimrate hat.
Samen von ... |
- Tage |
von ... Korn |
keimten |
Frailea asterioides |
30.05.12 |
25 |
22 |
Frailea phaeodisca |
30.05.12 |
25 |
25 |
Epithelantha micromeris |
03.06.12 |
25 |
23 |
Lophophora williamsii |
23.06.12 |
17 |
16 |
Ech.fossuloc. lamellosus |
07.07.12 |
23 |
23 |
Gymnocal. denudatum |
20.07.12 |
25 |
25 |
Frailea angelesii |
29.07.12 |
25 |
25 |
Cleistocactus strausii |
30.07.12 |
25 |
24 |
Notocactus haselbergii |
31.07.12 |
25 |
23 |
Wigginsia corynoides |
31.07.12 |
25 |
24 |
Turbinicarpus swobodae |
31.07.12 |
25 |
25 |
Ferocactus glaucescens |
31.07.12 |
25 |
23 |
|
Σ |
290 |
278 |
Tab. 2: An -Tagen ausgesät, war die Keimrate fast 96%.
Sämtliche Samen waren frisch vom Blühjahr 2012.
Abb. 3: Hohe Keimrate an -Tagen: F. asterioides, F. angelesii und E. micromeris
In Tab. 3 sind sechs verschiedene Samen aufgelistet, die zum Vergleich an günstigen Tagen
(+Tagen) und ungünstigen Tagen (-Tagen) ausgesät wurden. Dabei hat sich gezeigt, dass die
Keimstückzahl an +Tagen mal höher und mal niedriger als an -Tagen war. Die Gesamt-
Keimstückzahl der +Tage und die der -Tage war fast gleich, und die mittlere Keimrate der
beiden Gruppen betrug je ca. 32%.
Samen von ... |
+ Tage |
von ... Korn |
keimten |
- Tage |
von ... Korn |
keimten |
Aylostera heliosa *) |
25.05.12 |
25 |
9 |
24.05.12 |
25 |
6 |
Aylostera kieslingii *) |
27.04.12 |
25 |
11 |
28.04.12 |
25 |
14 |
02.06.12 |
25 |
11 |
03.06.12 |
25 |
9 |
27.07.12 |
25 |
15 |
29.07.12 |
25 |
13 |
Copiapoa hypogaea **) |
25.05.12 |
25 |
3 |
24.05.12 |
25 |
2 |
Ech.cereus acanthosetus *) |
02.06.12 |
20 |
4 |
03.06.12 |
20 |
8 |
Matucana madisoniorum **) |
25.05.12 |
25 |
14 |
24.05.12 |
25 |
11 |
Mediolobivia pectinata **) |
27.04.12 |
25 |
2 |
28.04.12 |
25 |
4 |
27.07.12 |
25 |
2 |
29.07.12 |
25 |
5 |
*) Samen vom Vorjahr |
Σ |
220 |
71 |
Σ |
220 |
72 |
**) Samen von diesem Jahr |
|
|
|
|
|
|
Tab. 3: Keimung im Vergleich. Die mittlere Keimrate beträgt bei beiden Gruppen ca. 32%.
Abb. 4 zeigt als Beispiel die Aussaaten von Matucana
madisoniorum und Echinocereus acanthosetus.
Über die schlechte Keimfähigkeit der Samen kann nur spekuliert werden. Waren die Samen von
A. heliosa, A. kieslingii und E. acanthosetus zu alt und die der anderen in der Gruppe zu
erntefrisch? Oder lag es daran, dass die Blüten unkontrolliert (unvollständig?) von Insekten
bestäubt wurden oder Hybriden entstanden waren?
Tab. 2 und 3 dokumentieren die Aussaaten in 30 Töpfen, Abb. 3 und 4 dokumentieren
beispielhaft die Aussaaten in 7 Töpfen. Ich habe vor, Bilder von den übrigen 23 Töpfen in
meiner Homepage www.kakteen-schade.de zu veröffentlichen.
Abb. 4: Keimung an -Tagen und +Tagen im Vergleich: M. madisoniorum und E. acanthosetus
Fazit:
Die Mondkonstellation hat auf die Keimrate absolut keinen Einfluss, jedenfalls bei Kakteen
nicht. Bei anderen Pflanzen wird es wahrscheinlich genauso sein. Zum Beispiel keimt
Gartenkresse (Lepidium sativum) unter viel ungünstigeren Bedingungen in jeder Jahreszeit zu
100%. Esoteriker werden wohl trotzdem auf Mondkalender schwören!
Literatur:
Herrmann, S. (2010): Siegeszug der Mondkalender –
www.sueddeutsche.de – Wissen
Stöhr, E. (2004): Aussaat nach kosmischen Rhythmen – Kakt. and. Sukk. 55: 339