Kakteensammlung Reinhart Schade

Veröffentlichungen: Artikel

Seite: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10

Veröffentlicht in: SUCCULENTA
niederländisch-belgische Kakteenzeitschrift
Februari 2014
Nummer 1 - Jaargang 93
Übersetzung: C. A. L. Bercht

Aussaat von Kakteen nach einem Mondkalendar

Einleitung:
Schon lange wollte ich gern wissen, ob der Erdtrabant noch weitere Ereignisse auf unserem Globus beeinflusst außer Ebbe und Flut. So hatte ich mir schon Literatur gesammelt und den Zeitungsartikel von Herrmann (2010) aufgehoben. Darin schildert er, dass sich viele Menschen an Mondkalendern orientieren. Umfragen zufolge glauben 92 % der Deutschen, dass der Mond Einfluss auf ihr Leben oder ihre Gesundheit ausüben würde. Sie kaufen zu erhöhten Preisen Mond-Mineralwasser, -Käse, -Salami, -Holz (das angeblich nicht brennen soll) und so weiter. Aus dem Bereich der Botanik fand ich in diesem Artikel leider nur zwei Hinweise: Ernten von reifem Gemüse bei abnehmendem Mond und „pflanzen“ von Radieschen (war wohl Aussäen von Radieschen-Samen gemeint). Im Dezember 2011 kam mir dann die Annonce von Ewald Kleiner wie gerufen, der darin seinen Mondkalender 2012 anbot. Konnte ich jetzt doch selber in Aussaat-Versuchen herausfinden, was an der Sache dran ist.

Anfang April 2012 machte mich ein Kakteenfreund auf den Artikel von Stöhr (2004) aufmerksam. Darin schreibt der Autor: „Kosmische Rhythmen sind nicht zu verwechseln mit dem Mondkalender“, doch wenige Zeilen weiter ist widersprüchlich zu lesen, dass diese Rhythmen „astronomische, wissenschaftlich-mathematische Berechnungen“ seien und der Mond im Mittelpunkt stehen würde. Dann schreibt Stöhr: „Zwei bis vier Tage ehe der Mond komplett am Himmel sichtbar ist, sollte man das Saatgut in den Boden bringen ....“ Viel Theorie, doch leider bringt der Autor den praktischen Nachweis einer höheren Keimrate für die genannten Tage nicht.

Auf der Rückseite seines Mondkalenders schreibt Ewald Kleiner, dass er ihn schon seit über 40 Jahren Hobbygärtnerinnen und -gärtner zur Verfügung stellt; später auch Kakteenfreunden. Kakteen und andere Sukkulenten seien auf Grund seiner 50jährigen Sukkulenten- Kulturerfahrung eindeutig den Blütenpflanzen zuzuordnen, schreibt er. So sind in der Spalte „Blütentage“ 26 günstige Aussaat-Tage für das Jahr 2012 aufgelistet; Tage, an denen der Mond mit den Sternbildern Zwillinge, Waage und Wassermann eine günstige Konstellation bilden würde. Tab. 1 zeigt für die Versuchsdauer von vier Monaten elf günstige Aussaat-Tage, an denen hohe Keimraten zu erwarten sind. Übergangstage mit mittelmäßiger Keimrate, wie zum Beispiel 24. oder 26. Mai, gäbe es nicht.
Mondkalender 2012 nach E. Kleiner (Auszug) für Aussaaten
April 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Mai 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Juni 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Juli 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Fett gedruckte Tage = günstige Tage, Mager gedruckte Tage = ungünstige Tage
Tab. 1: Im Folgenden werden günstige Tage „+Tage“ und ungünstige Tage „-Tage“ genannt


Aussaat-Vorbereitungen:
Das Aussaat-Substrat bestand aus 2/3 Kakteenerde der Gärtnerei Schleipfer (Korngröße 0,3 bis 1 mm) und 1/3 mineralischem Substrat (Korngröße 0,3 bis 2 mm).

Abb. 1: Abreiben des Fruchtfleisches, das an frischem Samen haftet

Das Dränage-Substrat für die unterste Schicht im Topf bestand nur aus mineralischem Substrat (Korngröße 2 bis 5 mm). Beide Substrate wurden in trockenem Zustand in Weckgläsern 5 Minuten in der Mikrowelle sterilisiert. Ebenso Werkzeuge (Teelöffel und Pinzette) und eine Glasschale zum Anstauen in kochendem Wasser. Sofern es sich um frisch geernteten Samen handelte, wurde das Fruchtfleisch in einfachster Weise mit dem Finger auf trockenem Küchenpapier abgerieben (Abb. 1).

Aussaat:
Die Aussaat erfolgte in fabrikfrischen, schwarzen Kunststoff-Töpfen (Größe 5 x 5 cm, 4,5 cm hoch) mit Siebboden. Pro Topf wurden meist 25 Korn trocken gebeizter Samen ausgebracht. Hierzu diente ein Stereomikroskop mit einem Arbeitsabstand von 8 cm, unter dem die Samen in 5 Reihen zu je meist 5 Stück mittels Pinzette auf das Substrat gelegt und bündig eingedrückt wurden. Mit Quarzsand oder Ähnlichem zugedeckt wurden die Samenkörner nicht, denn Kakteen sind Lichtkeimer. Anschließend wurde der Topf mit Samen-Namen, Stückzahl und Datum beschriftet. Dann erfolgte das Anstauen mit abgekochtem Leitungswasser so lange, bis die Substrat- Oberfläche vollkommen benetzt war. Schlussendlich wurden je 3 Töpfe in fabrikfrische Gefrierbeutel gesetzt und mit einem Clip gut verschlossen. Diese Prozedur erfolgte immer vormittags zwischen 9 und 11 Uhr.

Abb. 2: Eingebeutelte Aussaattöpfe unter einem Tisch im Gewächshaus

Aufgestellt wurden die eingebeutelten Töpfe unter einem Tisch im Gewächshaus (Abb. 2). Sofern die Sonne schien, waren die Aussaaten nachmittags maximal 3 Stunden dem Sonnenlicht ausgesetzt. Die Beutel wurden weit über den Versuchszeitraum hinaus geschlossen gehalten; nur zum Fotografieren und Zählen der Sämlinge wurden die Töpfe kurzzeitig entnommen. Das Keimen möglicher Nachzügler wurde abgewartet. Interessant war, dass kein einziger Sämling verfault oder verpilzt war. Allerdings war das Substrat in einigen Töpfen oberflächlich veralgt. Vermutlich wurde das Substrat in der Mikrowellen nicht lang genug sterilisiert.

Keimbedingungen:
Ausreichend Licht, ausreichende Temperatur und viel Feuchtigkeit im Substrat sind die wichtigsten Voraussetzungen für das Keimen. Aber auch der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht und eine hohe relative Luftfeuchte spielen eine Rolle. Letztere Bedingung kann man gut in einem Zimmergewächshaus, in Kunststoff- oder Glasbehältern mit Deckel oder in verschlossenen Folienbeuteln erfüllen. Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht kann man der Aussaat bieten, indem man sie in ihren Behältern auf den Balkon oder auf die Terrasse stellt, wenn kein Gewächshaus zur Verfügung steht. Aussaaten im Zimmer, mit oder ohne Kunstlicht, noch dazu im Winter, bieten nach meiner Erfahrung keine optimalen Keimvoraussetzungen. Außerdem sollten viele Samen erntefrisch ausgesät werden, und das ist im Winter nicht gegeben.

Samen-Auswahl:
Für die Aussaat-Versuche wurden nur Samen von eigenen Kakteen verwendet. Sofern sich herausgestellt hat, dass bei einem ungünstigen Aussaat-Tag (-Tag) eine (fast) 100%ige Keimrate erzielt wurde, konnte auf einen Vergleich mit einem günstigen Aussaat-Tag (+Tag) verzichtet werden. Ein Vergleich zwischen -Tagen und +Tagen erfolgte nur bei den Samen, die eine niedrige Keimrate aufwiesen.


Ergebnisse:
Tab. 2 zeigt zwölf verschiedene Samen, die alle an ungünstigen Tagen (-Tagen) ausgesät wurden; trotzdem war die Keimrate im Mittel fast 96%. Allen Samen war gemeinsam, dass sie erntefrisch ausgesät wurden, und das war bei diesen Arten neben optimaler Bedingungen der Grund für die hohe Keimrate. Als Beispiel aus dieser Gruppe zeigt Abb. 3 das Aussaat-Ergebnis von Frailea asterioides, Frailea phaeodisca und Epithelantha micromeris. Mit diesem Ergebnis hätten die Aussaat-Versuche eigentlich beendet werden können, denn es hat sich schon jetzt gezeigt, dass die Mondkonstellation keinen Einfluss auf die Keimrate hat.
Samen von ... - Tage von ... Korn keimten
Frailea asterioides 30.05.12 25 22
Frailea phaeodisca 30.05.12 25 25
Epithelantha micromeris 03.06.12 25 23
Lophophora williamsii 23.06.12 17 16
Ech.fossuloc. lamellosus 07.07.12 23 23
Gymnocal. denudatum 20.07.12 25 25
Frailea angelesii 29.07.12 25 25
Cleistocactus strausii 30.07.12 25 24
Notocactus haselbergii 31.07.12 25 23
Wigginsia corynoides 31.07.12 25 24
Turbinicarpus swobodae 31.07.12 25 25
Ferocactus glaucescens 31.07.12 25 23
Σ 290 278
Tab. 2: An -Tagen ausgesät, war die Keimrate fast 96%.
Sämtliche Samen waren frisch vom Blühjahr 2012.

Abb. 3: Hohe Keimrate an -Tagen: F. asterioides, F. angelesii und E. micromeris



In Tab. 3 sind sechs verschiedene Samen aufgelistet, die zum Vergleich an günstigen Tagen (+Tagen) und ungünstigen Tagen (-Tagen) ausgesät wurden. Dabei hat sich gezeigt, dass die Keimstückzahl an +Tagen mal höher und mal niedriger als an -Tagen war. Die Gesamt- Keimstückzahl der +Tage und die der -Tage war fast gleich, und die mittlere Keimrate der beiden Gruppen betrug je ca. 32%.
Samen von ... + Tage von ... Korn keimten - Tage von ... Korn keimten
Aylostera heliosa *) 25.05.12 25 9 24.05.12 25 6
Aylostera kieslingii *) 27.04.12 25 11 28.04.12 25 14
02.06.12 25 11 03.06.12 25 9
27.07.12 25 15 29.07.12 25 13
Copiapoa hypogaea **) 25.05.12 25 3 24.05.12 25 2
Ech.cereus acanthosetus *) 02.06.12 20 4 03.06.12 20 8
Matucana madisoniorum **) 25.05.12 25 14 24.05.12 25 11
Mediolobivia pectinata **) 27.04.12 25 2 28.04.12 25 4
27.07.12 25 2 29.07.12 25 5
*) Samen vom Vorjahr Σ 220 71 Σ 220 72
**) Samen von diesem Jahr
Tab. 3: Keimung im Vergleich. Die mittlere Keimrate beträgt bei beiden Gruppen ca. 32%.
Abb. 4 zeigt als Beispiel die Aussaaten von Matucana madisoniorum und Echinocereus acanthosetus. Über die schlechte Keimfähigkeit der Samen kann nur spekuliert werden. Waren die Samen von A. heliosa, A. kieslingii und E. acanthosetus zu alt und die der anderen in der Gruppe zu erntefrisch? Oder lag es daran, dass die Blüten unkontrolliert (unvollständig?) von Insekten bestäubt wurden oder Hybriden entstanden waren? Tab. 2 und 3 dokumentieren die Aussaaten in 30 Töpfen, Abb. 3 und 4 dokumentieren beispielhaft die Aussaaten in 7 Töpfen. Ich habe vor, Bilder von den übrigen 23 Töpfen in meiner Homepage www.kakteen-schade.de zu veröffentlichen.

Abb. 4: Keimung an -Tagen und +Tagen im Vergleich: M. madisoniorum und E. acanthosetus



Fazit:
Die Mondkonstellation hat auf die Keimrate absolut keinen Einfluss, jedenfalls bei Kakteen nicht. Bei anderen Pflanzen wird es wahrscheinlich genauso sein. Zum Beispiel keimt Gartenkresse (Lepidium sativum) unter viel ungünstigeren Bedingungen in jeder Jahreszeit zu 100%. Esoteriker werden wohl trotzdem auf Mondkalender schwören!

Literatur:
Herrmann, S. (2010): Siegeszug der Mondkalender – www.sueddeutsche.de – Wissen
Stöhr, E. (2004): Aussaat nach kosmischen Rhythmen – Kakt. and. Sukk. 55: 339